“winterfest”

Im 19. Jahrhundert diente der Furkapass als wichtige Handelsroute über die schweizer Alpen. Darüber hinaus etablierte sich am Fuße des Rhonegletschers ein einzigartiger Tourismus, der auch die viktorianische Upperclass anzog. Heute erzählen der See unterhalb einer rapide schmelzenden Gletscherzunge und das verwitterte Inventar der verlassenen Belle-Epoque-Hotels von den dramatischen klimatischen Veränderungen und dem allmählichen Vergessen einer ehemaligen Tourismusgeschichte.

Die Arbeit winterfest fokussiert den Rückzug des Menschen aus einer zunehmend lebensfeindlichen Umwelt, sowie die Gesten des Bewahrens, die in obsoleten Strukturen weiterwirken. In diesem Spannungsfeld verdichten sich Fragen über den Umgang mit Vergänglichkeit, deren Bedeutung im Kontext menschengemachter Klimaerwärmung eine wachsende politische und kulturelle Resonanz erfährt.

winterfest I, 2024

Cyanotypie in Gruppenarbeit, 6 Arbeiten á 180cm x 100cm

Furka. Ein Ort, an dem die Hotels im Winter so tief im Schnee versinken, dass kein Licht ihr Inneres erreicht. Für diese dunklen Monate wurden Textile, auf denen die Sonne in der Kunstakademie Düsseldorf ihre Spuren hinterließ, entlang der Flure in der Dependance Furkablick montiert. Im Sommer, wenn das Licht in Furka wieder eintritt, tastet es sich durch die Fenster und legt sich wie eine zweite Belichtung über jene Spuren. Es überlagern sich die Strahlen von Akademie und Furka zu einem gemeinsamen Rhythmus aus Licht und Zeit in der Kontinuität eines künstlerischen Austauschs, wie er mit dem Furk’Art-Projekt schon vor Jahrzehnten begonnen hat und nun in der Verbindung von Akademie und Furka eine neue Form findet.

Eine Gruppenarbeit von Dagmar von der Ahe, Hannes Justen, Suna Ozankan und Rosa Schubert

winterfest II, 2024

fotografische Erkundung zum Thema Verhüllung

Die harten klimatischen Bedingungen und die abgeschiedene Lage machten die Hotels für den Großteil des Jahres unbewohnbar und somit nicht mehr wirtschaftlich. Heute finden sich in einigen der verlassenen Gebäude Gesten der Konservierung: Möbel, winterfest gemacht, ein Versuch des Bewahrens, der mit dem textilen Verhüllen einherging. Komplett ausgestattet, aber für immer verlassen stehen die Hotels wie Zeitkapseln neben dem Pass. Dieses Bild findet ein Echo im nahen Gletscher, dessen Schwinden durch ausgebreitete, reflektierende Tücher verlangsamt werden soll. Zwischen beiden Motiven entsteht ein Moment, in dem sich historische und tiefenzeitliche Elemente berühren und der zum Ausgangspunkt meiner künstlerischen Auseinandersetzung wird.

winterfest II, 2024

Ausschnitt einer Konzeptzeichnung für spätere Skulpturarbeit,
Kreide auf Papier, 300cm x 100cm

Die Zeichnung verbindet bruchstückhafte Erinnerungen an die verschiedenen Hotels entlang des Furkapasses. Räume verschwimmen ineinander, zeitliche Epochen verlieren ihre Klarheit. Koolhaas’ Anbauten neben Schweizer Militärbunkern, Holzflure, deren Fenster Blicke auf die Berglandschaft freigeben. Das Bild fungiert als Verschmelzung von Erinnerung und Skizze, als Vorarbeit für eine spätere skulpturale Umsetzung.

winterfest III, 2025 fortwährend

Keramik und Gletschereis des Rhonegletschers,
40cm x 40cm x 70cm / 70cm x 70cm x 85cm

Die Skulptur setzt sich aus Fragmenten der unterschiedlichen Hotelbauten zusammen, Erinnerungen materialisieren sich in abstrahierter Gestalt: Bodenlose Balkone, die sich der Schneelast entziehen; eine Kammer, deren Bett den ganzen Raum ausfüllt; ein Zu-verkaufen-Gesuch, das eine Hauswand überspannt.

Ein Eisblock aus dem gefrorenen Wasser des Rhonegletschers kehrt die Verhüllung nun um. Das Eis wird die Architektur so umschließen, wie einst die menschlichen Planen den Gletscher verhüllten, im Versuch sein Abtauen zu verlangsamen. Erst, wenn im Laufe der Zeit das Eis abschmilzt, tritt die Skulptur in ihrer Ruinenhaftigkeit hervor. Dann kontextlos in einer entleerten Umgebung.

Die Arbeit befindet sich in der Fertigstellung.

der palast ist leer. was mensch tatsächlich war, erkennt man im verfaulen der reste.
— Thomas Köck, eure paläste sind leer

furka september 2024 //
eine dokumentation

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